Schätze, die entdeckt werden wollen

Es gibt sie noch, unentdeckte Schätze, auch bzw. besonders in der Welt des Weines. Weinliebhaber und Weinkenner kennen das Glücksgefühl, wenn sie eine Flasche in den Händen halten, neugierig das Etikett studieren und mit einem freudig-kritischen „nie gehört“ den Wein eingießen und dann eine große Überraschung erleben:“Donnerwetter“, „alter Schwede“, „Wahnsinn“ und ähnlich euphorische Redewendungen bringen zum Ausdruck, dass der Wein ein außergewöhnlicher, manchmal sogar ein sensationeller Hochgenuss ist. 

Solch ein Schatz sind die zwei Rotweine der Azienda Agricola Archipettoli Di Sotto, wie das Weingut in der Toskana mit vollständigem Namen heißt. In der Weinwelt ist es ganz einfach als Archipettoli bekannt, so wie auch sein bester Wein heißt.

Die Azienda liegt knapp 20 km südlich von Florenz und rund 40 km nördlich von Siena in der Gemeinde San Casciano in Val di Pesa im Ortsteil Santa Cristina in Salivolpe. Das romantische Landhaus versteckt sich auf einem kleinen Hügel inmitten von weitläufigen Olivenhainen in der Nähe von Weinbergen. Der Blick geht nach Nordwesten zu den Apuanischen Alpen, wo der Marmor für Michelangelos David herstammt.  Nach Nordost schaut man bis zum Pratomagno-Massiv, wo der Arno fließt.

Die 7 Hektar großen Olivenhaine werden traditionsgemäß zur Produktion eines Olivenöls im biologischen Anbau genutzt. Das Olio Extra Vergine Archipettoli wird in der Ölmühle der Tenuta Il Corno hergestellt, nur in erster Pressung, rund 1.000 Liter im Jahr. Es ist als eines der besten Olivenöle der Toskana berühmt. 

Der älteste Teil des Landhauses Archipettoli stammt aus dem 13. Jahrhundert und war einst im Besitz der Florentiner Patrizierfamilien Cavalcanti und Strozzi. Konfisziert vom ersten Herzog von Florenz, Alessandro de` Medici, wurde es 1599 an das Spedale di S. Maria Nuova in Florenz verkauft, bevor es wieder in den Besitz der Strozzis gelangte. Die heutigen Besitzer, die Familie Volterrani, stammen ebenfalls aus Florenz.  In den frühen 50er Jahren wanderten sie in die Schweiz aus. Im Jahr 1992 fanden und erwarben sie ein außergewöhnliches Landgut mit Weinberg mit dem Ziel, toskanische Weine von höchster Qualität zu produzieren. Das war eine Pioniertat, denn man fand seinerzeit über 30 Jahre alte, zum teil unkultivierte Weinberge vor, die man 2006 um neue Flächen ergänzte und vorwiegend Sangiovese mit einer Dichte von 6.000 Rebstöcke pro Hektar pflanzte. Insgesamt gehören zu Archipettoli 1,6 Hektar Rebfläche. Es ist also ein kleines, aber feines Weingut.

Den Erfolg überließ man von Anfang an nicht dem Zufall. Valerio Volterrani holte sich einen Meister des italienischen Weinanbaus: den Önologen und Agronomen Andrea Paoletti, weltweit wohl einer der besten Kenner der Sangiovese-Rebe. Er hatte seit Mitte der 1990er Jahre die legendären Weine von Ornellaia im Bolgheri betreut und berät weitere Spitzenweingüter wie beispielsweise Caiarossa, Valdicava und Roccapesta, aber auch Weingüter in Kalifornien und anderen Ländern. Er selektierte 2006 persönlich die modernen Klone des Sanviovese, der hier in einem einzigartigen und durchaus schwierigen Terroir wächst. Neben dem Sangiovese baut Archipettoli auch Merlot und Canaiolo an, die für die Cuvées zur Verfügung stehen.

Qualitätsmässig liegt die Gegend von San Casciano in Val di Pesa im nördlichen Chianti-Gebiet des DOCG Chianti Colli Fiorentini, eine von acht Chianti-Deklarationen. Chianti dei Colli Fiorentini Weine kommen von den Hügeln zwischen dem Arno-Tal und dem Chianti Classico Gebiet. Es sind über 900 Hektar ins Register eingetragen, allerdings ist der Ertrag niedrig, die Qualität meist verhalten und die Weingüter sind wenig bekannt. Das Anbaugebiet ist ziemlich feucht und kühl und nicht gerade für hochwertige Gewächse geeignet. Daher ist der DOCG Chianti Colli Fiorentini in der Regel ein zwar aromatischer, aber einfacher Wein, der jung getrunken werden sollte und den alltäglichen Speiseplan ergänzt. 

Familie Volterrani und das Team von Archipettoli hingegen führen eindrucksvoll vor, welch feine und sensationelle Weine das terroir hergibt, wenn man im Weinberg und im Keller alles optimal, sorgfältig und qualitätsbezogen ausrichtet. 

Die Weinberge von Archipettoli haben sandig-steinige bis leicht kalkhaltige Böden. Sie liegen 320 m hoch und sind nach Süden bis Südwesten ausgerichtet. Bewirtschaftet werden sie vollständig nach den EU-Richtlinien zur biologischen Landwirtschaft. Schon im Weinberg beginnt mit viel Handarbeit die Qualitätssicherung insbesondere durch rigorose Ertragsreduzierung auf rund 3.800 kg pro Hektar, das sind durchschnittlich etwa 800 g pro Rebstock. Immer wieder wird ausgedünnt, um die Trauben zu optimaler Reife zu führen. Bei der Ernte wird wiederum per Hand streng selektioniert und die Trauben in kleinen Kisten transportiert. 

Weinkenner haben zwei Weine von Archipettoli mit großem Genuss verkostet. Hier ist das Ergebnis:

Archipettoli IGT 2011

Das ist sozusagen der Stammwein des Weinguts, der schlicht und prägnant den Namen der Azienda trägt. Der erste Jahrgang kam 2008 mit 800 Flaschen aus dem Keller, heute werden ca. 6.000 Flaschen produziert – auch von der Anzahl her eine Trouvaille. Die Weine Archipettoli IGT wurden übrigens kürzlich beim großen und prestigeträchtigen China Wine & Spirits Award 2016 mit einer Gold- und einer Silbermedaille ausgezeichnet.

Der Archipettoli IGT 2011 ist ein reinsortiger 100 % Sangiovese mit 15,5 % Alkohol, ein Wert, den wir sonst eher vom Amarone kennen. Das ist zu einem gewissen Teil dem Jahrgang zuzuschreiben, denn im regenarmen Sommer 2011 herrschte im August in der Toskana eine extreme Hitze, die den Zuckergehalt der Trauben hochkatapultierte und die Reife vorverlegte, obgleich die Sangiovese eine spät reifende Rebsorte ist. Dabei hatte man im Gebiet Chianti Colli Fiorentini insofern Glück, als das traditionell feuchte und etwas kühlere Mikroklima einen Trockenstress bei den Reben verhinderte und ihren Stoffwechsel aufrecht erhielt. Zudem trug es dazu bei, den Säuregehalt einigermaßen zu stabilisieren und die Entwicklung der Inhaltsstoffe nicht zu blockieren. 

Die vollreif geernteten Trauben blieben rund vier Wochen auf der Maische, die Gärtemperatur von 28 Grad Celsius wurde genau kontrolliert. Vergoren wurde ausschließlich mit natürlichen, autochtonen Hefen. Die malolaktische Gärung erfolgte in gebrauchten Barriques aus französischer Eiche. Hier wurde der Wein etwa 12 Monate lang in Ruhe gelassen. Nach Abfüllung reifte er nochmals 6 Monate auf der Flasche nach, erstaunlicher Weise auch das temperaturkontrolliert.

Im Glas sehen wir die Rubine funkeln, ein wahrlich sattes, aber nicht zu schwarzes Rubinrot. Die intensive Farbe verdankt dieser Sangiovese nicht zuletzt der Ertragsreduzierung im Weinberg und dem warmen Sommerwetter. Die Nase gefällt sich im genießerischen Erschnüffeln von Schwarzen Johannisbeeren, Heidelbeeren, Preiselbeeren, etwas Cayenne und von hellem Tabak. Das Bukett erscheint geheimnisvoll komplex und nobel.  

Schon der erste Schluck lässt im Mund ein mittleres Bömbchen aus Aromen und Extrakt explodieren. Wir schmecken eine aromatische Fruchtigkeit gestützt von Pflaumen und Brombeeren, dazu Gewürze, Trüffel, Leder und etwas dunkle Schokolade. Die deutlichen Holztöne lassen an vielschichtige Waldaromen denken, sogar an Pinienwälder. Die Säureunterstützung ist angenehm moderat während die Tannine zwar weich sind, aber Kraft und Wucht signalisieren, ohne aggressiv zu wirken. Sie drängen sich auch nicht unangemessen in den Vordergrund, vielmehr stützen sie den Gesamteindruck eines komplexen und kompakten Intensivweins, der eine dichte Struktur und einen gewichtigen Körper hat. Man kann den Archipettoli IGT 2011 locker noch 5 bis 10 Jahre liegen lassen, was angesichts seines schon jetzt präsenten Hochgenusses schwer fallen dürfte. Es ist ein Wein, mit dem man die Gäste nach einem auserlesenen Essen zu einem eindrucksvollen Weinerlebnis einlädt, das in Erinnerung bleiben wird. Sollten Sie mit dem Wein doch schon zum Hauptgang glänzen wollen, so gönnen Sie ihm ein kräftig gewürztes Filet vom Rind oder einen Hirschrücken mit Heidelbeersoße. Wer mutig das Innovative in der Küche mag, sollte ihn zu einer filetierten Lachsseite servieren, die auf einem Zedernholzbrett in einem geschlossenen Grill zubereitet wird und zwar mit einer Soja-Senf-Öl-Marinade, die auch als Soße gereicht wird. Dazu gibt es frisches Ciabatta und Radicchio. Da der Lachs eine kräftige, räucherähnliche Aromatik bekommt, ist der Archipettoli die perfekte und köstliche Begleitung. 

Altipertoli IGT 2013

Das ist gleichsam der kleine Bruder vom Archipettoli. Lediglich 1.800 Flaschen wurden im Jahrgang 2013 abgefüllt. Der Wein ist benannt nach dem ältesten Teil, dem ehemaligen Wachturm und Jagdhaus, das einst Teil des Landgutes der Familie Strozzi war und heute eine luxuriöse Ferienvilla inmitten des Weinguts von Archipettoli ist.

Wir haben mit dem Jahrgang 2013 ein Cuvée vor uns aus 90 % Sangiovese und 10 % Merlot mit einem Alkoholgehalt von 13 Volumenprozent. Die Reben wurden im Weinberg genauso sorgfältig behandelt wie die für den Archipettoli. Der Jahrgang 2013 wurde spät geerntet, weil insbesondere der langsam reifende Sangiovese hinterher hinkte, da nach einem langen Winter und feuchten Frühjahr das Wachstum erst mit dem heißen Sommer ab Mitte Juli fortschritt. Der Regen Ende August und ein herrlicher September trieben die Reben dann zum Höhepunkt im Oktober. Das kühlere Klima des Chianti Colli Fiorentini sorgte dafür, dass der Merlot wiederum nicht zu früh die Vollreife erlangte.

Die Ernte erfolgte dann gleichfalls per Hand und die Reben landeten schonend in kleinen Kisten. Sie lagen 25 Tage auf der Maische und erhielten eine malolaktische Gärung bei kontrollierten 30 Grad Celsius, also etwas wärmer als beim Archipettoli. Statt im Barrique reifte der Wein 12 Monate in großen Tonneaux aus französischer Eiche. In der Flasche konnte er nochmals drei Monate ruhen, bevor er in den Verkauf kam.

Im Glas zeigt sich der Altipertoli IGT 2013 auch stark rubinrot getönt mit dunklen Reflexen. Ein rundes Bukett von Roten und Schwarzen Johannisbeeren, Kräutern, Holztönen, schwarzen Kirschen, Laub und Lorbeer duftet uns an. Am Gaumen erleben wir einen samtigen Wein, der die Kraft des Sangiovese mit der fruchtigen Sanftmut des Merlot abrundet. Es kommen am Gaumen Noten von Johannisbeeren, Brombeeren, Wald, Leder, Feigen und einigen schwarzen Kirschen an. Die Säure ist gut gebändigt und im schönen, ledrigen Holzton eingebunden. Die Tannine sind weich und fördern die aktuelle Trinkfreudigkeit des Weins und einen harmonischen, langen Abgang. Reichen Sie den Wein zu Rouladen vom Rind oder einem Filet vom Wildschwein.

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